Im ersten Artikel zu Yoga und Medizin haben wir erörtert, dass der Yoga von Patañjali zu den orthodoxen Philosophiesystemen des alten Indien gehört. Zunächst scheint dabei der Schritt von Philosophie zu Medizin weit. In diesem Artikel werden wir die Beziehung von Yoga zum Ayurveda betrachten, dem Medizinsystem aus der gleichen Kultur und Zeit.

Definitionen

In den Schriften aus der Zeit der Upanishads findet man viele Definitionen des Yoga. Einige der berühmtesten sind die folgenden Definitionen aus dem Yoga-Sutra und der Bhagavad-Gītā

1. Patañjali Yoga-Sutra I.2.

»yogaś-citta-vṛtti-nirodhaḥ«: »Yoga ist das Beherrschen der geistigen Bewegungen.«

2. Bhagavad-Gītā II:48

»... samatva-yogaḥ-ucyate«: »Gleichmut wird Yoga genannt.«

3. Bhagavad-Gītā II:50

»... yogaḥ-karmasu-kauśalam«: »Yoga sorgt für das Wohlergehen durch die richtige Tat (das heißt die getan wird, ohne auf deren Früchte zu achten).«

4. Bhagavad-Gītā VI:18

»... nisprihaḥ-sarvakāmebhyo-yuktityucyate-tadā«: »Der, dessen Wünsche ohne jeden kāma (Begehren, Sehnsucht) ist, von dem wird gesagt, dass er Yoga erreicht hat.«

5. Bhagavad-Gītā VI:23

»duḥkha-saṃyoga-viyoga-yoga-saṃjnitam«: »Unter Yoga versteht man die Trennung von der Verbindung mit Schmerz.«

Fasst man all diese Definitionen und die Einordnung in Systeme zusammen, steht der Begriff »Yoga« für verschiedene Aspekte, nämlich

  1. eine Methode
  2. ein Geisteszustand
  3. ein āstika-darśana (orthodoxes Philosophie-System)

Begriffsbedeutung und Definitionen von Ayurveda

Der Begriff Ayurveda setzt sich aus zwei Worten zusammen, nämlich

• āyus, das Leben und

• veda, wahres Wissen.

Der gesamte Begriff steht also für das wahre Wissen vom Leben.

Auch der Ayurveda hat seine klassische Literatur. Die wichtigsten Klassiker sind die als »bṛhattrayī« (Große Dreiheit) zusammengefassten drei Werke: Carakasaṃhitā, Suśrutasaṃhitā und Aṣṭāṅgahṛdayam. Diese wurden ebenfalls in der Zeit der Upanishads geschrieben und bilden – analog zu der Bhagavad-Gītā und dem Yoga-Sutra für den Yoga – die Grundlage aller späteren Werke über den Ayurveda.

Jede Wissenschaft definiert ihre Themen und den eigenen Anspruch. So finden wir in allen drei ayurvedischen Klassikern die Definition dessen, was der Ayurveda ist. Als Beispiele geben wir hier die von Caraka und Suśruta genannten Definitionen:

1. Ca. Sa. Sū. 1:41

»hitāhitaṃ-sukham-duḥkham-ayustasya-hitāhitam-manam-ca-tacca-ya-troktam-āyurvedaḥ-sa-ucyate«:

»Ayurveda wird das genannt, was mit gutem und schlechtem, glücklichem und unglücklichem Leben zu tun hat, den Dingen, die es fördern und die es nicht fördern, den (jeweils dafür erforderlichen), Maßnahmen und der eigentlichen Natur des Lebens.«

2. Su. Sa. Sū. 1: 15

»Ayurveda ist das, was mit āyus (Leben) zu tun hat oder die Lebensspanne fördert.«

Schon in diesen klassischen Definitionen wird deutlich, dass es im Ayurveda nicht nur um Krankheiten geht. Es geht um das gesamte Leben. Um die Fragen des Lebens. Um die Möglichkeit, glücklich zu leben.

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