Während vor 20 Jahren die Begriffe »Yoga« und »Therapie« im deutschsprachigen Raum noch schier unvereinbar erschienen, ist heute der Begriff »Yoga-Therapie« gradezu in aller Munde. An immer mehr Institutionen werden nicht mehr »nur« Yogalehr-Ausbildungen angeboten, sondern auch Yoga-Therapie-Lehrgänge. Schon gibt es die ersten Unstimmigkeiten innerhalb der Yoga-Szene, ob nicht vielleicht eine Bezeichnung wie »Yoga-Therapeut« eine – möglicherweise auch noch unfaire – Form der Werbung von denjenigen wäre, die dies auf ihre Flyer oder Websites schreiben. Man diskutiert in einigen Yoga-Kreisen über Fragen wie: gibt es »Yoga-Therapie« überhaupt? Ist das nun eine Mode, eine neue Skurrilität in einem enger werdenden Markt der Body-Mind-Techniken oder eine wirkliche Behandlungsmöglichkeit? Darf man »Yoga-Therapie« so nennen? Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen? Was unterscheidet eigentlich »Yoga-Therapie« von ganz normalem Yoga?

Yoga hat in den letzten hundert Jahren eine rasante Entwicklung genommen. Von einer spirituellen Methode, die von wenigen Einzelnen geübt wurde, zum Breiten-»Sport«. Etwas ketzerisch könnte man behaupten, dass die Rolle, die Ende des letzten Jahrhunderts in den USA die Psychotherapeuten inne hatten, heute vom Yogalehrer erfüllt wird: jeder hat seinen Yogalehrer, auf den er schwört, der ihn herunter bringt und wieder grade rückt.

Der Blick auf den Yoga hat sich in diesem letzten Jahrhundert erweitert. Er wird nicht mehr nur als Entwicklungsmethode gesehen, sondern als Möglichkeit, die eigene Gesundheit zu stärken.

Krankenversicherungen haben das gesundheitsförderliche Potenzial des Yoga erkannt und sponsorn Yoga-Kurse. Dass Yoga sich wirklich positiv auf die verschiedenen Ebenen der Gesundheit auswirkt, wurde inzwischen von vielen Studien weltweit untersucht und immer wieder bestätigt.

Aber inzwischen sind längst nicht alle, die in die Yoga-Kurse kommen, gesund. Viele Yoga-SchülerInnen kommen nicht nur mit allgemeinen Stärkungsvorstellungen, sondern mit ganz gezielten Verbesserungswünschen für ihren Gesundheitszustand. Sie möchten zum Beispiel, dass die Rückenschmerzen aufhören, der Schlaf nicht mehr unterbrochen ist, die Konzentrationsfähigkeit wiederkommt oder dass der Blutdruck auch ohne Medikamente innerhalb normaler Grenzen bleibt. Die Erfahrung zeigt, dass diese Wünsche auch oft in Erfüllung gehen. Viele Yoga-Übende erleben eine Linderung ihrer Beschwerden, manche sogar eine komplette Heilung. Bedeutet das, dass dann Yoga eine »Therapie« ist?

Was eine Therapie ist

Eine Therapie wird definiert als die Maßnahmen zum Behandeln von Behinderungen, Krankheiten und Verletzungen aufgrund einer zuvor erlangten Diagnose. Das bedeutet, dass vor einer Therapie immer eine Diagnose stehen muss. Um die diagnostizierte Störung zu behandeln, muss dann eine medizinische Logik eingesetzt werden, aufgrund derer die Auswahl der Maßnahmen zur Behandlung begründet ist.

Nimmt ein Mensch also an einer Yoga-Stunde teil und diese führt zu einer Linderung von Beschwerden, war diese Yoga-Stunde keine Therapie. Dies war sie nicht, weil keine Diagnose und keine darauf abzielende Auswahl an Behandlungsmaßnahmen auftraten. Die Symptomverbesserungen entstanden in diesen Fällen aufgrund der allgemeinen gesundheitsförderlichen Wirkungen, die der Natur von Yoga innewohnen. Genauso kann eine gesunde, ausgeglichene Ernährung Magenschmerzen lindern und den Blutdruck normalisieren, eine hinreichender und tiefer Schlaf ist in der Lage, Kopfschmerzen und Erschöpfung zu lindern und ein erholsamer Urlaub vermag die Stimmung zu heben und das Immunsystem zu stärken. Alle diese Dinge sind trotz dieser therapeutischen Wirkungen für sich genommen noch keine Therapie. Als eine Therapie kann man nur das bezeichnen, was für eine gestellte Diagnose spezifisch an Maßnahmen angezeigt ist, nicht die allgemein wohltuende Natur einer Maßnahme.

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