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Im Ayurveda werden Kopfschmerzen als ein Ungleichgewicht der Doshasbetrachtet. Unter dem Begriff „shiroroga“ werden 11 verschiedene Kopfschmerzformen klassifiziert, für die es differenzierte und z. T. in Studien als wirksam bestätigte therapeutische Möglichkeiten gibt. Bei korrekter Diagnosestellung und sinnvoller Behandlungsstrategie bietet der Ayurveda effiziente und nebenwirkungsfreie Behandlungsmöglichkeiten von Kopfschmerzen. Die Behandlung zielt darauf ab, das Gleichgewicht der Doshas wiederherzustellen. Dies kann durch verschiedene Methoden wie Kräutermedizin, Ernährungsumstellung, Yoga, Meditation und Reinigungsverfahren erreicht werden. Typische ayurvedische Ansätze zur Behandlung von Kopfschmerzen umfassen die Verwendung von Kräutern, die Förderung einer gesunden Ernährung und Lebensweise sowie die Anpassung des individuellen Lebensstils gemäß den ayurvedischen Prinzipien. Ayurvedische Therapien können auch in Kombination mit schulmedizinischen Behandlungen eingesetzt werden.
In Ayurveda, headaches are regarded as an imbalance of the Doshas. Theterm “shiroroga” is used to classify eleven different forms of headache. For these forms there are differentiated therapeutic options, some of which have been confirmed as effective in studies. With a correct diagnosis and a useful treatment strategy, Ayurveda offers efficient treatment options for headaches without side effects. The treatment aims to restore the balance of the Doshas. This can be achieved by various methods such as herbal medicine, dietary changes, yoga, meditation and cleansing procedures. Typical Ayurvedic approaches for treating headaches include using herbs, promoting a healthy diet and lifestyle,and adjusting the individual’s lifestyle according to Ayurvedic principles.Ayurvedic therapies can also be used in combination with conventional medical treatments.
Kopfschmerzen gehören zu den häufigsten Ursachen einer ärztlichen Konsultation [1]. Dabei kann der Kopfschmerz sehr unterschiedliche Formen haben: Nach der International Headache Society (IHS) existieren 176 verschiedene Formen von Kopfschmerz. Diese werden in der International Classification of Headache (ICH) klassifiziert, die 2018zum letzten Mal aktualisiert wurde [2]. Die beiden häufigsten Kopfschmerzformen sind Migräne und der Spannungskopfschmerz: 57,5% der Frauen und 44,4% der Männer in Deutschland berichten, binnen eines Jahres mindestens einmal Kopfschmerzen zu erleiden. 14,8% der Frauen und6,0% der Männer erfüllen die Kriterien für Migräne. 10,3%der Frauen und 6,5% der Männer sind von Spannungskopfschmerzen betroffen [3].
Auch das traditionelle indische Medizinsystem Ayurveda klassifiziert – seit Jahrhunderten unverändert – den Kopfschmerz in Unterformen. In der klassischen ayurvedischen Literatur werden 11 Kopfschmerzerkrankungen unter dem Begriff „shiroroga“ beschrieben. Quellen dazu findet man z. B. in der Sushruta-Samhita [4] und dem Madhava-Nidanam [5]. „Schmerzerkrankungen des Kopfes werden durchvata, pitta, kapha je einzeln oder durch ihre Kombination verursacht, durch rakta, durch dhatukshaya, krimi und auch durch Erkrankungen wie surya-avarta, anantavata,ardhavabheda und shankhaka“ [5].
Sämtliche Einflussfaktoren, die die Doshas verändern, können auch Kopfschmerzen hervorrufen. Als vorrangige Auslöser werden Fehlernährung, Bewegungsmangel, Verdauungsstörungen wie Obstipation und Flatulenz, entzündliche Stadien anderer Erkrankungen, Entzündung der Nasennebenhöhlen, Störungen des Sehsinns, Hypertonus, Hirn Tumoren, Exposition des Kopfes gegenüber zu viel Hitze, Kälte oder Sonne, abrupte Klimaveränderungen, weite Reisen, Schlaflosigkeit, Grübeln, Angst, Ärger, Überarbeitung, Sinnesüberreizung, emotionale Überanstrengung und Erschöpfung beschrieben. In den klassischen Texten sind auch schon Vorzeichen der Kopfschmerzen beschrieben: Als solche gelten Trockenheit, ein brennendes Gefühl, ein fixierter Blick, Jucken, Zittern, ein Schweregefühl oder Steifheit im Bereich des Nackens. Die Frühsymptome sind noch nicht krankheitstypisch, dennoch ermöglichen sie, eine Veränderung der Doshas frühzeitig zu diagnostizieren. Zum anderen kann der Patient lernen, vor Beginn der Erkrankung auf diese Vorzeichen zu reagieren und damit den Ausbruch der eigentlichen Kopfschmerzen zu verhindern.
Der klassische Ayurveda unterscheidet 11 Kopfschmerzformen. Jede wird in ihrer Symptomatik, ihrem Verlauf sowie lindernden und aggravierenden Faktoren beschrieben.
Diese Kopfschmerzen sind auf eine Störung des Doshavata zurückzuführen. Sie treten plötzlich auf, oft ohne ersichtlichen Grund. Die Schmerzqualität ist stechend, der Schmerz wird vom Patienten als stark empfunden und exazerbiert nachts. Begleitsymptome sind Obstipation und trockene Haut. Eine Tendenz zu Ängsten und Sorgen begleitet die körperliche Reaktion. Die Symptomatik lindert sich durch Wärme und feste Bandagen und verschlimmert sich durch Schlafmangel, unregelmäßige Ernährungsgewohnheiten, übermäßige körperliche Aktivität, mentale Überstimulation, Sorgen und Stress.
Ihre Ursache liegt in einer Störung des Dosha pitta. Der Schmerz fühlt sich an, „als ob glühende Kohlen im Kopf wären“ oder „als ob Rauch aus Augen und Nase käme“. Besserung tritt nachts ein, lindernd wirken außerdem alle kühlenden Maßnahmen. Hitze, Ärger und Konkurrenzsituationen führen zu einer Verschlimmerung der Schmerzen. Typische Begleitsymptome sind ein gerötetes Gesicht, gerötete Augen, Lichtempfindlichkeit und evtl. Nasenbluten. Der Patient klagt oft über Reizbarkeit.
Sie werden durch eine Störung des Dosha kapha verursacht. Der Schmerzcharakter ist dumpf und schwer. Begleitend treten Schwellungen im Gesichtsbereich auf, vor allem um die Augen. Patienten beschreiben ein Gefühl von Fülle und Kälte im Kopf sowie Müdigkeit und Erschöpfung. Übelkeit, Schleimbildung, starker Speichelfluss oder Erbrechen können hinzukommen, evtl. kombiniert mit Lungenerkrankungen. Die Symptome vermindern sich durch Aktivität, Wärme und Nahrungskarenz bzw. Fasten. Nässe, Kälte, Tagesschlaf, Langeweile und Trägheit führen dagegen zur Symptomverstärkung.
Bei Kopfschmerzen vom sannipataja-Typ sind alle Doshasursächlich beteiligt. Der Patient weist daher Symptome sämtlicher bisher beschriebener Kopfschmerzformen auf. Diese Form von Kopfschmerzen ist besonders heftig ausgeprägt.
Die Symptomatik wird durch die Reizung des Blutgewebes verursacht. Sie äußern sich primär wie pittaja-Kopfschmerzen; dazu kommt jedoch noch eine starke Empfindlichkeit im Kopfbereich.
Verliert ein Mensch viel Substanz, z. B. durch Unfälle, schwere Krankheiten oder Operationen, kann es zu Kopfschmerzen vom kshayaja-Typ (=Gewebeverlust) kommen. Behandelt man diese durch Fehleinschätzung mit Ausleitungsverfahren wie Schwitzbehandlungen (svedana), therapeutisches Abführen (virecana), Behandlungen über die Nase (nasya) oder Aderlass (raktamokshana), so werden die Kopfschmerzen durch das Ausleiten weiterer Substanz noch verschlimmert.
Bakterien, Viren und andere Mikroorganismen werden im Ayurveda unter dem Begriff „krimi“ zusammengefasst. Auch sie können einen Kopfschmerz auslösen. Der Patient klagt dann über ständige stechende Schmerzen,„als ob der Kopf weggefressen werde“ oder „explodiere“. Blut, Eiter oder andere Sekrete können dann über die Nase ausgeschieden werden.
Liegt die Erkrankung surya-avarta vor, beginnen die Kopfschmerzen bei Sonnenaufgang und nehmen im Laufe des Tages – entsprechend dem Lauf der Sonne – weiter zu. Der Patient klagt über dumpfe, in der Tiefe sitzende Schmerzen in Augen und Augenbrauen. Die Krankheit wird durch alle 3 Doshas verursacht und ist als sehr ernsthaft einzustufen. Erleichterung können erhitzende oder kühlende Therapien verschaffen.
Auch im Falle der Erkrankung ananta-vata sind alle3 Doshas betroffen: vata, pitta und kapha sind gereizt und ziehen zum Nacken und zum Bereich der Schilddrüse. In der Folge treten sehr starke Schmerzen in Nase, Augenbrauen und Schläfenregion auf, begleitet von Augenschmerzen, Steifheit des Unterkiefers bis hin zur Kiefersperre und einem Gefühl des Reibens bzw. Pulsierens im Bereich der Wangen.
Diese Kopfschmerzen äußern sich durch heftigen ziehenden und stechenden Schmerz einer Kopfhälfte, „wie durch das Schneiden mit einer Waffe“. Im weiteren Verlauf kannardhavabhedaka die Funktion von Augen oder Ohren zerstören. Der Kopfschmerz beginnt plötzlich nach einem Prodromalstadium von 10 bis 14 Tagen, in dem Schwindel und bohrende Schmerzen vorangehen. An der Krankheitsentstehung und -entwicklung sind alle 3 Doshas beteiligt.
Hier handelt es sich um ausgeprägte Kopfschmerzen, mit brennendem Gefühl, Rötung und Schwellung, begleitet von Steifheit des Kopfes und Obstruktion des Rachens. Ursache ist die Reizung von rakta (Blutgewebe) und aller3 Doshas. Dieser Zustand wird als unheilbar beschrieben. Er soll innerhalb von 3 Tagen zum Tod führen.
Die Differenzialdiagnose erfolgt durch Anamnese und körperliche Untersuchung. Anamnestisch werden die Geschehnisse im Vorfeld und Anfang der Erkrankung erfragt, sowie Schmerzverlauf und -charakter. Dann werden Puls, Zunge, Gewebe, Augen, Ausscheidungen und Sprache des Patienten nach Anzeichen der 3 Doshas untersucht. Auch der Allgemeinzustand des Patienten, seine Konstitution sowie seine Verdauungskraft werden beurteilt. Ist die Diagnose nicht eindeutig zu stellen, werden therapeutische Testverfahren eingesetzt, um die Differenzialdiagnose zu klären.
Die ätiologischen Faktoren liegen aus ayurvedischer Sicht im Ernährungs-, Lebens- und Denkmuster des Patienten. Diese werden im Gespräch mit dem Patienten eruiert. Mit der Diagnosestellung erfolgt als erstes eine gründliche Aufklärung des Patienten über die Wirkungen dieser Alltagsaspekte. Anschließend folgt eine differenzierte, individuelle Ernährungs- und Lebensstilberatung, bei der alle ursächlichen Faktoren angesprochen werden. Es muss im Detail geklärt werden, wie die Ursachen für die Energie-Dysbalance im individuellen Fall eliminiert oder zumindest minimiert werden können.
Yoga kann eingesetzt werden, um Verhaltens-, Denk- und Gefühlsmuster bewusst zu beeinflussen und die Energiebalance wiederherzustellen. Je nach Form der Kopfschmerzen wird entweder stärker mit aktivierenden und kräftigenden Körper- und Atemübungen oder mit entspannenden, lösenden Techniken gearbeitet. Auch Entspannungsverfahren sowie meditative Ansätze sind nachweislich schmerzlindernd [6][7][8][9].
Jede Erkrankung belastet den Stoffwechsel des Patienten. Ist der Stoffwechsel geschwächt, werden aus ayurvedischer Sicht die Aufnahme und Verwertung von Heilsubstanzen sowie der gesunde Aufbau der Gewebe und der Erhalt der Immunität beeinträchtigt. Daher ist die Anregung des Stoffwechsels aus ayurvedischer Sicht unerlässlich, um therapeutische Fortschritte zu erzielen. Selbst die besten Heilsubstanzen können keinen Erfolg bringen, wenn sie vom System nicht aufgenommen und verstoffwechselt werden. Empfohlen wird eine leicht reduzierte, warme und leicht verdauliche Kost sowie stoffwechselanregende Kräuter wie Pippali oder Ingwer. Studien zu Ingwer bei Kopfschmerzen deuten darauf hin, dass Ingwer eine therapeutische und prophylaktische Wirkung bei Migräne entfalten kann [10]. Differenzialtherapeutisch sollten jedoch zu heiße Kräuter bei pitta-, blut- und hitzebedingten Kopfschmerzformen eher vermieden werden. Bei Kopfschmerzformen mit einer Dominanz von vata, kapha oder mit Stoffwechselschwäche sind stärker erwärmende Kräuter angezeigt.
Aus ayurvedischer Sicht belasten Kopfschmerzen das Gehirn. Daher ist es bei allen Kopfschmerzformen zentral, das Gehirn wieder zu tonisieren. Dafür werden verschiedene Heilpflanzen verwendet, die zu der Gruppe der medhya-rasayana (Hirntonika) gehören, z. B. Brahmi (Bacopa monnieri) [11], Ashwagandha (Withania somnifera) [12][13][14], Vaca (Acorus calamus) [15][16], Jyotishmati (Celastrus paniculatus) [17] oder Shankhapushpi (Convolvulus pluricaulis) [18]. Studien weisen auf die analgetische Wirkung dieser Pflanzen hin und deuten teilweise auch auf deren Effizienz bei neuropathischen Schmerzen und die Modulation der Schmerzverarbeitung.
Zur innerlichen Dosha-Beruhigung stehen Tausende von Heilkräutern zur Verfügung. Aus der umfassenden Materia Medica werden typischerweise mehrere Pflanzen ausgewählt: solche, die die Energetik richtig beeinflussen, solche, die ausgleichend wirken, und solche, die eine spezielle Affinität zum erwünschten Wirkungsort aufweisen. Viele dieser klassisch beschriebenen Pflanzen und Kombinationspräparate sind inzwischen für ihre analgetischen, antiphlogistischen, neurostabilisierenden und antidepressiven Wirkungen klinisch und pharmazeutisch untersucht [19][20][21][22][23][24]. Je nach Kopfschmerzform werden unterschiedliche Einzeldrogen oder phytopharmakologische Kombinationen empfohlen. Grundsätzlich werden bei hitzigen Kopfschmerzformen kühlende Heilmittel und bei kalten Kopfschmerzformen erwärmende Kräuterrezepturen verabreicht.
Des Weiteren kommen äußerliche Therapieformen zum Einsatz: Wärme, gezielt eingesetzte Kräuterpräparate und Öle sind ein integraler Bestandteil sämtlicher Anwendungen, die sich besonders bei vata- und Schwächezuständen als effektiv erweisen. Behandlungsserien über mehrere Tage oder Wochen hinweg sind durchzuführen, um die Energetik dauerhaft zu beeinflussen. Besonders wichtig bei Kopfschmerzen sind lokale Techniken wie Shirodhara (Stirnguss), Shirobasti (Kopfbad) und Shirolepa (Kräuterauflagen auf den Kopf). Eine Kombination mit der Behandlung über marmani (Vitalpunkte) ist möglich. Je nach Kopfschmerzform werden die eingesetzten Heilkräuter kombiniert, und die Flüssigkeiten werden entweder ölig, milchig oder wässrig ausgewählt. Äußerliche Behandlungen sollten über einen Zeitraum von 1–3 Wochen täglich durchgeführt werden, um einen bleibenden Therapieerfolg zu erreichen.
Bei starker Intensität der pathologischen Prozesse oder chronischem Verlauf ist eine Ausleitungstherapie indiziert. Je nach betroffenem Dosha kommen unterschiedliche Reinigungstechniken zum Einsatz. Bei kaphaja-Kopfschmerzen wird beispielsweise das therapeutische Erbrechen (vamana) angewandt, bei pittaja-Kopfschmerzen das therapeutische Abführen (virecana), und bei raktaja-Kopfschmerzen ist der Aderlass (raktamokshana) die zentrale Technik. Bei fast allen Kopfschmerztypen, insbesondere jedoch bei vataja-Schmerzen, sind medizinische Einläufe (basti) indiziert [25]. Therapien über die Nase (nasya) sind ebenfalls besonders wirksam im Kopfbereich.
Die Wirkung dieser Verfahren gilt als stark und nachhaltig, jedoch kann diese Therapieform für den Patienten auch anstrengend sein, weshalb geschwächte und ausgezehrte Personen davon absehen sollten.
Funktionelle Kopfschmerzformen wie Migräne, Spannungskopfschmerz oder psychosomatische Formen sind häufig chronisch und stehen im Alltag stark im Zusammenhang mit Lebensweise, Stress, Schlafverhalten und Ernährung. In der ayurvedischen Medizin sind diese Einflussfaktoren gut nachvollziehbar beschrieben. Über die multimodale ayurvedische Therapie kann der Patient oft aktiv in sein Kopfschmerzgeschehen eingreifen und über ayurvedische Ernährung, Phytopharmaka sowie innerliche und äußerliche Behandlungen den Kopfschmerz langfristig lindern [26]. Reicht eine alleinige ayurvedische Behandlung nicht aus, kann durch die Kombination ayurvedischer und schulmedizinischer Ansätze oft eine Schmerzbefreiung erreicht werden. Insgesamt treten unerwünschte Begleitwirkungen dadurch deutlich seltener auf.
Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.