Der klassische pañcakarma

Der Ᾱyurveda ist ein energetisch orientiertes Medizinsystem, in dem man davon ausgeht, dass alle Funktionen in einem Individuum auf körperlicher, geistiger und emotionaler Ebene von drei Bioenergien, den doṣas, reguliert werden. Fallen sie aus der Harmonie, so entsteht eine Krankheit. pañcakarma bedeutet fünf Therapieformen. Diese sind in der Lage, die veränderten doṣas auszuleiten. Das führt dazu, dass sich die doṣas wieder neu und harmonisch aufbauen können. So wird der Erkrankung der Boden entzogen.

Solange sich die doṣas in einer individuell richtigen Harmonie befinden, bleibt der Mensch gesund. Ist dies nicht der Fall, versucht man zunächst, die Balance durch doṣa-stabilisierende Maßnahmen wiederherzustellen. Gelingt das nicht oder sind die doṣas längerfristig immer wieder ungleichartig verändert, sollten sie ausgeleitet werden.

Allgemeine Indikationen und Kontraindikationen für den pañcakarma

Die erste Indikation für den pañcakarma ist die Erhaltung der Gesundheit. Dies erfolgt über die Reinigung des Energiesystems allgemein oder speziell durch das Abfangen von saisonal bedingten doṣa-Veränderungen und Alterungsprozessen. Das zweite Ziel ist die intensive Therapie von Erkrankungen. Das Ausleiten der veränderten doṣas entzieht selbst chronischen Erkrankungen den Boden und fördert zudem die Effektivität anderer Therapien. Auch Giftstoffe werden durch den pañcakarma effektiv ausgeleitet.

Die wichtigste Kontraindikation ist eine Erkrankung im āma-Stadium; das heißt, in einem Moment, in dem der Körper durch endogene Schlacken, die „āma“ genannt werden, verklebt ist. Dies ist zugleich eines der häufigen Missverständnisse über den pañcakarma: Er ist nicht zum „Entschlacken“ da, sondern funktioniert erst, wenn Schlacken bereits verbrannt sind.

Auch ein großer Schwächezustand des Patienten ist eine Kontraindikation. Das Ausleiten kostet Kraft. Sind die Patienten völlig erschöpft, könnten sie die Kraft zur Reinigung gar nicht aufbringen und würden unnötig zusätzlich geschwächt.

Aufbau des pañcakarma 

Die reinigenden Therapieformen werden immer zunächst über mehrere Wochen vorbereitet und nachher ebenso lange nach - bereitet.

Vorbereitende Therapie 

Die Vorbehandlung dient der Reizung der veränderten doṣas, der Lösung der veränderten doṣas aus den Geweben und der Sammlung im Gastrointestinaltrakt, über den die doṣas mittels der Haupttechniken ausgeschieden werden.

Hauptbehandlungen 

Im klassischen Sinne gehört zu den Hauptbehandlungen nach Suśruta: 

  1. Therapeutisches Erbrechen (vamana) 
  2. Abführen (virecana) 
  3. Einläufe (basti) 
  4. Nasenanwendungen (śirovirecana) 
  5. Schröpftechniken (raktamokṣaṇa) 

Hierbei werden die verschiedenen doṣas in unterschiedlichen Sitzen aus dem Körper geleitet.

Nachbehandlungen 

Die nachbereitenden Behandlungen werden eingesetzt, nachdem die Zeichen der ausreichenden Reinigung eingetreten sind, um den Menschen wieder zu kräftigen, die Verdauungskraft wieder zu stärken und die Immunkraft, das ojas, aufzubauen.

Vorbereitende Therapien 

Der erste Schritt beginnt mit dem Verbrennen von āma, Schlacken, die sich noch im System befinden. Dies erfolgt über drei Wege, nämlich über die Reduktion der Nahrungszufuhr, das Fördern des Verdauungsfeuers und das Fördern der Verdauung selbst. Diese Behandlung erfolgt vor allem über die Diätetik und ambulant. Ist der Patient befreit von āma, wird mit den vorbereitenden Therapien im engeren Sinne begonnen.

Fettende Behandlung 

Die Fettung wird die im Ᾱyurveda doppelt eingesetzt: 

  1. Die äußerliche Fettung besteht aus Techniken wie Massage oder auch Ölguss, bei denen der Patient äußerlich mit Ölen und anderen Fetten behandelt wird. 
  2. Die innerliche Fettung, ist die Einnahme von Fetten innerlich wie beispielsweise das Trinken von Ghī (geklärter Butter) oder eines medizinierten Öls. 

Ziel der fettenden Behandlung ist die Lösung und Mobilisation der veränderten doṣas von der Peripherie in den Magen-Darm-Trakt. Die Fettung gilt außerdem als eine der zentralen Techniken zur vāta-Beruhigung. Dabei werden verschiedene Fette bei unterschiedlichen Erkrankungen eingesetzt.

Schweißaustreibende Behandlung 

Behandlungen, die Hitze hervorrufen, werden svedana, Schwitztechniken, genannt. Es gibt passive Formen, die durch die Anwendung von Hitze in unterschiedlichster Art und Weise wirken, oder aktive wie zum Beispiel die durch Sonnenexposition oder Sport.

Aus āyurvedischer Sicht werden so die gereizten doṣas, die zuvor durch die Fettung gelöst wurden, verflüssigt. Damit können sie mit den Hauptbehandlungen leicht ausgeschieden werden. Schwitztechniken sind auch für sich als Therapie von vāta- und kapha-Erkrankungen geeignet. 

Haupttechniken 

Die Haupttechniken des klassischen pañcakarma werden in Abhängigkeit von der Konstitution, der Jahreszeit und der Erkrankung in der beschriebenen Reihenfolge eingesetzt.

Therapeutisches Erbrechen (vamana) 

Das Ziel des therapeutischen Erbrechens ist die Reinigung der doṣas aus dem Magen. Die Indikationen sind vor allem kapha-Erkrankungen, Erkrankungen der oberen Körperhälfte und Erkrankungen in frischem Stadium. Bei schwachen Patienten, Erkrankungen mit Peristaltik in die falsche Richtung, Milz- oder Lebererkrankungen, vāta-Erkrankungen, Schwangeren oder direkt nach den Einläufen oder dem Abführen darf vamana nicht eingesetzt werden.

Der Patient bekommt viel Milch und Abkochung zu trinken und eine emetisch wirkende Kräutermischung. So erfolgt das Erbrechen ohne Mühe. Beim Erbrechen werden nicht nur die Flüssigkeiten ausgeschieden, sondern nacheinander auch die doṣas. Am Ende fühlt sich der Patient leicht und glücklich.

Abführen (virecana) 

Das Abführen ist die Reinigung der doṣas aus dem Dünndarm. Dies ist vor allem bei pitta- und Blut-Erkrankungen, pitta-kapha- oder kapha-Erkrankungen, Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes sowie Leber- und Milzerkrankungen indiziert. 

Bei Unregelmäßigkeiten des Darmausganges, Diarrhoe, zu schwachen Menschen, Kindern, sehr alten Patienten, nach Fasten oder bei akuten Erkrankungen ist diese Technik nicht auszuführen. 

Patienten trinken in Abhängigkeit von der Konstitution, Darmtätigkeit und der Erkrankung eine individuell zusammengestellte Kräutermischung, die die Darmpropulsion fördert. Zuerst kommt der Stuhl, dann Wasser und zuletzt werden die doṣas ausgeschieden. Auch nach dem Abführen ist man sich leicht und zufrieden.

Einlauf (basti) 

Der āyurvedische Einlauf ist sehr vielseitig einsetzbar. Es gibt zwei Formen von basti: 

  1. nirūha- oder asthāpana-basti: Dies sind Einläufe, deren Hauptbestandteil Kräuterabkochungen sind. 
  2. anuvāsana-, mātra- oder sneha-basti: Dies sind Einläufe, deren Hauptbestandteil ein mediziniertes Öl ist. 

Einläufe haben ein breites Indikationsspektrum, vor allem vāta-Erkrankungen in Form von systemischen Erkrankungen, Störungen des Verdauungsfeuers, Fieber, Erkältung, Schweregefühl, Krankheiten, bei denen Retention zum Beispiel von Flatus, Urin, Stuhl, Samen eine Rolle spielt, Atrophie, Schmerz-, Herz-, Bauch- oder neuropsychologische Erkrankungen. Bei zu schwachen Patienten, Schwangeren oder bei Menschen, deren Gastrointestinaltrakt nicht intakt ist, sind sie kontraindiziert.

Für Einläufe wird zunächst der Bauchbereich massiert und erwärmt, dann der Anus leicht geweitet und ein Katheter eingeführt, über den die Kräuterabkochung beziehungsweise das Öl eingebracht wird. Danach wird der Patient gelagert. Ölige Einläufe dürfen verbleiben, während wässrige Einläufe innerhalb von maximal 45 Minuten ausgeschieden werden. nirūha- und anuvāsana-bastis werden in Serien von mehreren Einläufen je einmal täglich abgewandt. Dabei wird im Wechsel ein öliger und ein wässriger Einlauf gegeben. Nach der Serie fühlt man sich erleichtert und sehr rein.

Nasenanwendungen (nasya oder śirovirecana) 

Nasenanwendungen werden für Erkrankungen angewandt, die sich über den Schlüsselbeinen abspielen. Dabei können mit den unterschiedlichen Formen von Nasenanwendungen auch Erkrankungen aller doṣas behandelt werden. Bei verschiedenen Arten von nasya wird mediziniertes Öl, Dampf, Rauch oder Saft in die Nase eingegeben. Je nachdem, welche Substanz man in welcher Dosierung durch die Nase gibt, können sehr unterschiedliche Erkrankungen behandelt werden. 

Auch die Nasenanwendungen werden gut vorbereitet: Das Gesicht des Patienten wird massiert und erwärmt. Dann wird der Kopf etwas überstreckt und die indizierte Substanz in die Nase gegeben. Der Patient hält sie ein paar Minuten im Rachen und speit dann aus. Nach der Behandlung fühlt sich der Patient leicht und klar.

Schröpftechniken (raktamokṣaṇa) 

Schröpfen leitet das Blut aus. Durch die enge Verbindung zwischen Blut und pitta wird so auch pitta ausgeleitet. Die Indikationen für das Schröpfen sind Hauterkrankungen, Infektionen, Entzündungen, Blutungen, Milzvergrößerung, Tumoren und Augenkrank - heiten. 

Auch von Schröpftechniken gibt es verschiedene Formen, die je nach Indikation eingesetzt werden. Man unterscheidet zunächst die Formen, die mithilfe von metallischen Instrumenten das Blut austreten lassen. Dazu gehören die Inzisionen und der Aderlass. Andere Techniken kommen ohne metallische Instrumente zurecht und nutzen zum Beispiel Blutegel oder Schröpfgläser.

Fazit 

pañcakarma sind fünf Techniken, die zur doṣa-Reinigung oder Entgiftung eingesetzt werden. Vor den eigentlichen Therapien wird der Patient vorbereitet. Jede der Behandlungsformen hat differenziert beschriebene Indikationen, Kontraindikationen, Zeichen der hinreichenden Therapie sowie der möglichen Komplikation und deren Lösung. 

Das therapeutische Erbrechen, vamana, wird zur Ausleitung von kapha eingesetzt, das Abführen, virecana, für pitta-Erkrankungen und Einläufe, basti, vor allem für vāta-Erkrankungen. Die Nasenbehandlung, nasya, reinigt doṣas aus dem Kopf. raktamokṣaṇa, das Schröpfen, reinigt das Blut und damit auch pitta. 

Den Hauptbehandlungen folgen Nachbehandlungen über mehrere Wochen, die das System nach der Reinigung wieder stabilisieren und aufbauen. 

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